Mit einem Auto in Berlin ist man ja nicht glücklich

Hat man es, wird es, zumindest dort wo ich wohne, mit Müll und alten Schuhen überhäuft.
Die Schuhe gehören den Nutten vor der Haustür.
Sie ziehen diese öfter aus und vergessen sie dann wohl nach einer ihrer Nummern,
weil sie eben immer zwei Paare dabei haben.

Eines, das „Präsentationspaar“ hat ungefähr sieben Zentimeter Ballenerhöhung, was zirka 17 Zentimeter an der Hacke bedeuten und eines, das schlichter ausfällt, zumeist ein Paar Flip-Flops.
Also muss das dauerhaft parkende Auto bewegt werden, um es erstens vom Müll befreien zu können, was der Fahrtwind für gewöhnlich erledigt (Achtung Umweltschutz!), aber auch um es nach der Fahrt an einem anderen Ort zu parken, damit es nicht wieder Schuhe und anderen Müll aufnehmen muss.

Da man das Auto in Berlin jedoch nicht unbedingt benötigt, es eher gerne stehen lässt, weil sich ja so vieles mit dem Rad um so vieles schneller erledigen lässt, dauert es natürlich, bis man als Energiesparer zur Verbrechenstat der illegalen Müllentsorgung kommt.

Ich fahre ja nicht mit dem Auto einfach nur zum Spaß, da käme ich Ruck Zuck in die Gemüsetonne.

Heute Morgen erschien mir doch wirklich ein Grund vorzuliegen, das Auto zu bemühen.
Ich wollte Zacharias, der soeben vor drei Wochen von Kreta herüber gesegelt ist und wer weiß wie lange bei mir wohnen bleiben will, weil er doch einen Job suche, sich aber keine eigene Wohnung leisten können wird, zu einem recht nahe gelegenen Jobcenter zerren, um dort wegen dieser misslichen Lage vorzusprechen.
Vielleicht hatten die ja dort eine Idee, wie man ihm zu einem Job verhelfen und mich gleichzeitig vor der anstehenden unbefristeten Asylofferte bewahren könnte?

Mit dem Astra-Kombi meiner Eltern brauchte ich natürlich wesentlich länger als mit dem Fahrrad, nämlich das Eineinhalbfache. Das ist aber leider völlig normal in einer Stadt, deren Bewohner immer noch zum großen Teil nach dem 1955 in den Westzonen erlassenen Dekret
„Freie Fahrt für freie Bürger“ leben.
Ganz zu schweigen von der Parkplatzsuche, was uns, Zacharias und mich, nochmals ein Drittel der umweltfreundlichsten Fahrtzeit kostete, zuzüglich eines nochmaligen Fußmarsches mit einem weiteren Viertel des ursprünglichen Gesamtzeitbedarfs.

Das darf man niemandem erzählen, was ich an dieser Stelle auch betont verweigere, denn ich fixiere es für die Nachwelt, um etwaigen Lesern, die Unsinnigkeit der Autonutzung in Berlin per Alltagsmathematik nahe zu bringen. Mit dem Fahrrad brauche ich ziemlich exakt 20 Minuten, um von zu Hause zu besagtem Jobassistenzbüro zu gelangen.
Wie viel länger brauchten also Zacharias und ich, um das just an jenem Tag verschlossene Büro zu erreichen?

Wieso war an diesem Tag, an dem ich mich entschied, das Fortbewegungsmittel mit Verbrennungsmotor zu bemühen, dieses verdammte Büro geschlossen? Einzigartig, außer der Reihe, nicht vorgesehen. Ein Grund fand leider keine Erwähnung, der auf jenem gelben Fresszettel an der Eingangstür durchaus Platz gefunden hätte. Doch weshalb? – was zählte war doch die Realität der verschlossenen Tür. Hatten die Teilzeit-Beamten etwa hitzefrei?.

Diese weitere Geste meiner Gastfreundlichkeit an die südeuropäische Faulheit und erlittene Erschöpfung aufgrund bereits umweltfreundlich zurückgelegter Entfernungen, erschöpfte sich also im: Nichts!
Außer natürlich Geld-, Schadstoff- und Zeitvernichtung.

Inmitten des frei geäußerten Ärgers über diesen unverschämten Ausnahmefall, ereilte mich doch tatsächlich ein Anruf, den ich zunächst bedingungslos abgewiesen habe, da ich mich gerade ärgerte und Zacharias versucthe, dieses Phänomen zu erläutern. Er ist ja Kreter, also auch ein stückweit Stoïker.
Doch der Anrufer blieb hartnäckig: – Gehört Dir der Astra?, Du hast meine Stoßstange berührt. – „Ich habe gar nichts berührt! Ich bin aber gleich da, dann können wir das Problem klären, das Du zu haben scheinst!“ Da schien jemand die Nummer im Auto entdeckt zu haben.

Die menschliche Gabe, Gesichter, Gebärden, Situationen und Aura erspüren zu können, ist phänomenal, zumindest meine; denn mein Ärger war genau in dem Moment verflogen, da ich auf einen Portugiesen stieß, der sich maßlos grün zu ärgern schien und mir den von mir verursachten Schaden an seiner Stoßstange präsentierte.

– „Wenn Du mal nachdenken würdest, müsstest Du erkennen, dass Dein Schaden durch mein Auto gar nicht verursacht worden sein kann, weil dies physikalisch unmöglich ist! Ich muss viel zu steil in die Lücke einstechen, um Deine bereits verschrammte Stange dort links berühren zu können. Außerdem habe ich keinerlei Pedant an meiner Stoßstange!
Alter, das ist simpelste Physik!“

– „Diesmal bist Du zu weit gegangen, mein Freund, ich rufe Polizei!“ – „Ich denke, die Polizei wird Dir das gleiche erzählen, und Dein Freund bin ich gewiss nicht!“

Auf einmal tauchen dort zwei dubiose Zeugen auf, die ich beim Einparken übersehen haben muss, aber wahrscheinlich hatten sie Tarnkappen auf.
– „Zachari, we have to wait until the Police is here. This fucking dickhead wants them to record this bullshit.“ – „Taxi, ok, does he has any chance? – „I don‘t hink so.

Ein lange Zeit später, das Eineinhalbfache der mit dem Rad zurückgelegten Strecke, erschien die Streife bei übrigens herrlichstem Sonnenschein, der dem Körper viel Wasser ab- und ein Nachfüllen anderer flüssiger Substanzen in ihn unbedingt erforderte.
Aber das konnten wir ja nicht, denn ich hatte ja unbedingt mit dem Auto fahren müssen,
um einer Bequemlichkeit nachzugeben; die Umweltsünde rächte sich gerade unnachgiebig.

Sehr nette Polizisten waren das, ganz anders, als wenn ich sie mich bei Rot über die Ampel zischen sehen und mich dann versuchen anzuhalten.

– Ich sage Ihnen gleich, das schreibe ich nicht auf, das kann nicht von diesem Auto her rühren.
Was Sie hier versuchen, ist Versicherungsbetrug und der Schaden, den Sie angeben, hat höchsten einen Wert von 25 Euro. Versicherungsbetrug kommt Sie richtig teuer zu stehen.

Der Portugiese wollte aber nicht hören und pochte auf seine Rechte, ohne einen Personalausweis vorzeigen zu können, wurde lauter bis hin zum ausrastenden Gezeter.
Das tat mir allerdings für den Polizisten leid, der sich bestimmt zusammenreißen musste, um dem Portugiesen keine zu semmeln.
Das würde dann allerdings sofort wieder als rassistisch eingestuft, was es aber gar nicht sein könnte, nachdem was ich erleben musste.
Aber die damoklische Instrumentalisierungsdrohnung besteht immer, auch wenn gar kein Jude involviert ist. Aber vielleicht handelte es sich ja um einen portugiesischen Juden??
Und er hätte es verdient, Jude hin oder her, mehr als jeder andere auf dieser Straße zu diesem Zeitpunkt.

Ich lächelte dem politisierenden Menschen höflich zu, grinste und fuhr unter seines Argus-Augen und Zacharias‘ Anweisung dreimal in der Lücke auf und ab, um unbedingt berührungslos aus der Schlangengrube zu entkommen.